Wie Du Dich von Deinem Sein entfernst und wieder zurückfindest.
Bist Du Dir eigentlich bewusst, wie viel Lebenszeit und Energie Du mit Kompensationsverhalten vergeudest?
In diesem Artikel will ich Dir erklären, was ich damit meine und Dein Bewusstsein für unnötiges Kompensationsverhalten schärfen.
Und Dir einige Glückskeksweisheiten aus meiner umfangreichen Sammlung mitteilen.
Einleitung
Als leidenschaftlicher Seelenforscher, Selbsterkunder und dazu auch noch hauptberuflicher Psychotherapeut und Coach beschäftige ich mich fast täglich mit der Frage, wie ich mein Leben und meinen Alltag fürsorglich und liebevoll gestalten kann. Fürsorglich und liebevoll im Umgang mit mir selber, aber auch fürsorglich und liebevoll im Umgang mit anderen. Meinen Energiehaushalt in Balance halten. Ein inneres Klima von Entspanntheit, Gelassenheit, Freude und Mitgefühl pflegen. Achtsam sein und tun.
Weil ich das schwierig finde und es mir nach wie vor schwerfällt, diesen Umgang nachhaltig zu kultivieren und ihn im Strudel des Alltags nicht wieder aus den Augen zu verlieren.
Dass es mich so viel Zeit (Jahre) und so viel Energie kostete, einen fürsorglichen und liebevollen Umgang mit mir selber zu entwickeln, liess mich lange an mir selber zweifeln: Vielleicht ist meine Fürsorgekompetenz begrenzt. Oder, aus welchen Gründen auch immer, spüre ich mich zu wenig. Vielleicht gibt es da doch noch Traumata, Schattenanteile oder innere Saboteure, die ich in meiner bisherigen freiwilligen fürsorgerischen Arbeit an mir selber übersehen habe. Oder bin ich ein hoffnungsloser Fall und mir ist nicht zu helfen?
Keine Sorge, als gut trainierter Kämpfer im Ring mit meinen Inneren Kritikern habe ich gelernt, solche Gedanken, wie ich sie oben erwähnte, einfach achtsam wahrzunehmen, ohne ihnen allzu viel Glauben zu schenken.
Glückskeksweisheit Nr. 1: Unsere Gedanken entsprechen nie der Realität, sondern stellen immer nur einen unbeholfenen Versuch dar, die Realität zu verstehen.
Eine sehr wesentliche Errungenschaft in meiner persönlichen Entwicklung bestand darin, mir zu gestatten, auch einmal den Fehler bei anderen zu suchen.
Was ich damit sagen will und was das mit dem Thema zu tun hat: Irgendwann kam ich tatsächlich auf die Idee, dass meine Schwierigkeit, im Alltag wirklich konsequent und nachhaltig selbstfürsorglich und liebevoll mit mir und anderen umzugehen, weniger mit mir zu tun hat, sondern dass die Ursachen vielleicht an anderer Stelle zu finden sein könnten.
Um intensiver Ursachenforschung zu betreiben, beschloss ich im letzten Jahr, mir eine dreimonatige Auszeit zu gönnen. Also eigentlich traf ich diese Entscheidung aus anderen Gründen, aber im Nachhinein stelle ich fest, dass ein Nebenprodukt dieser Entscheidung war, dass ich mich mit ebendieser Ursachenforschung beschäftigte. Und dabei auf aus meiner Sicht sehr interessante und für unser menschliches Glücksstreben wesentliche Erkenntnisse stiess.
Die ich gern mit Dir teilen möchte.
Glückskeksweisheit Nr. 2: Auch wenn ein geteilter Glückskeks nur noch halb ist, verdoppelt sich die geteilte Weisheit.
Kurz gefasst:
- Erkenntnis: Die Quelle Nummer 1 von Glück, Erfüllung, Liebe für uns Menschen besteht aus unserem Sein ist. Je mehr ich mir gestatte, einfach zu sein, mit allem was dazu und zu mir gehört, desto ruhiger werde ich, desto zufriedener und entspannter fühle ich mich und desto mehr erlebe ich die Fülle des Seins und damit ein Zustand von Erfülltheit und grundloser Freude.
- Erkenntnis: Ich bin unglaublich gut darin, mich von meinem Sein abzulenken. Und je mehr ich mir dessen bewusst werde, desto mehr fällt es mir auch bei anderen auf. Wie ich und andere versuchen, unser Sein aufzuschieben. Es uns zu verdienen. Es zu übersehen. Es zu über- oder unterschätzen. Einfach, weil wir sehr davon entfremdet sind. Weil wir gelernt haben, dass unser Sein an sich nichts Besonderes ist.
- Erkenntnis: Und wir, je stärker wir von unserem Sein entfremdet sind, desto mehr Kompensationsverhalten benötigen, um die entstehende toxische Triade von Spannung, Unzufriedenheit & Leere auszuhalten.
Über Kompensationsverhalten
Ein theoretisch-fachlich-reflektierter Einschub: Wenn wir von Kompensationsverhalten sprechen, können wir unterscheiden zwischen Kompensationsverhalten 1. und 2. Ordnung. Bei Kompensationsverhalten 1. Ordnung bist Du Dir der zugrundeliegenden Spannung, Unzufriedenheit & Leere durchaus bewusst und Du versuchst, durch das Verhalten Deinen inneren Zustand zu ändern. Was Dir allerdings nicht gelingt, zumindest nicht langfristig.
Bei Kompensationsverhalten 2. Ordnung bist Du Dir der zugrundeliegenden Spannung, Unzufriedenheit & Leere nicht mehr bewusst. Erst, wenn das Kompensationsverhalten wegfällt, kommen die darunter oder dahinter verborgenen toxischen Drei zum Vorschein. Das ist häufig der Fall im Bereich von Beziehungen (wenn es zu Konflikten oder zur Trennung kommt) oder von Arbeit (bei Jobverlust, Arbeitslosigkeit, Burn- oder Boreout).
Glückskeksweisheit Nr. 3: Es ist immer gut, Phänomene im Leben in Ordnungen einzuteilen. Ordnung macht schliesslich das Leben ordentlicher.
Etwas Selbstenthüllung.
Bei mir fällt mir auf, dass ich Gefühle von Unlust und Energiemangel nach wie vor mit Kaffee, Schwarztee und ab und zu Zucker zu kompensieren versuche. Gefühle von Langeweile zu kompensieren versuche, indem ich nach Stimulation Ausschau halte: Am Handy, im E-Mail-Posteingang, beim Surfen im Internet oder durch Bücher und Podcasts. Dass ich Unsicherheit in der Erziehung meines Sohnes kompensiere, indem ich mich auf einmal wahnsinnig gern und intensiv um alles Mögliche im Haushalt kümmere. Oder dass ich den Adrenalinentzug, wenn mein Körper am Wochenende oder in den Ferien runterfährt, zu kompensieren versuche durch Marathon-Couch Potatoing mit den neusten Superheldenfilmen, obwohl ich weiss, dass mir ein Waldspaziergang viel besser tun würde.
Weitere Beispiele für menschliches Kompensationsverhalten:
- Der Kaffee am Morgen, um Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Niedergeschlagenheit zu kompensieren
- Der Energydrink, die Ohrstöpsel oder das Handy, um auf dem Weg zur Arbeit Gefühle von Unwohlsein, Überreiztheit, Unsicherheit oder Angst bei der Begegnung mit anderen Menschen zu kompensieren
- Pumpen im Fitnesszenter oder tiefes Atmen im Yoga, um gesunde Gefühle von Frustration und Ärger zu kompensieren, die sich im Lauf des Tages angesammelt haben
- Ständiges E-Mailchecken oder Surfen im Internet, um Gefühle von Unzufriedenheit, Überforderung, Angst oder Unterforderung bei der Arbeit zu kompensieren
- Geschäftigkeit, Hektik, Stress, um Gefühle von Faulheit, Trägheit, Müdigkeit, Erschöpfung zu kompensieren
- Absolvieren von Kursen oder Weiterbildungen, um Versagensängste oder das Gefühl, nicht zu genügen bei der Arbeit zu kompensieren
- Teure Ferien, um ein Gefühl von Unerfülltsein und Sinnlosigkeit im Arbeits-, Familien- oder Paaralltag zu kompensieren
- Kompensieren von Einsamkeitsgefühlen durch Beziehung(en)
- Kompensieren eines Mangels an Erfüllung in der Partnerschaft durch Affären
- Streit in den Ferien, um die Oberflächlichkeit und Gefühlsleere von Scheinharmonie zu kompensieren
- Exzesse beim Sex, Sport oder Essen oder mit Hilfe von sonstigen Substanzen, um Trauer und/oder alle möglichen unangenehmen Zustände zu kompensieren
- Inanspruchnehmen von Klinikaufenthalten, aufwändigen und langjährigen Therapien oder Besuch von Retreats, um das Gefühl zu kompensieren, nicht im Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen zu sein
- Wir fangen gar nicht erst an mit den Kompensationsverhaltensweisen unseres Verstandes, z.B. in Form von ständigem Denken, von dem gierigen Verlangen nach Wissen oder der Sucht danach, dem Sein Sinn und Bedeutung zuzuschreiben... das ist ein gutes Thema für einen eigenen Blogartikel.
Fallen Dir weitere Beispiele aus Deinem eigenen Leben oder dem Leben von anderen Menschen aus Deiner Umgebung ein? Teile sie mir unbedingt mit, ich kompensiere leidenschaftlich gern meine eigenen Gefühle von Einsamkeit und Unverbundenheit mit dem Wissen um das Leiden anderer.
Auch wenn wir eine endlose Liste von Kompensationsverhaltensweisen und Ursachen dafür zusammenstellen könnten – am Ende und im Grunde geht es immer um das Gleiche: Um die Entfremdung vom eigenen gegenwärtigen Sein. Das klingt vielleicht zu vereinfacht für Dich. Zu stark verallgemeinert.
Glückskeksweisheit Nr. 4: Manchmal ist es einfach einfach am Einfachsten.
Die Entfremdung vom Sein.
Wir lernen sehr früh im Leben, uns nicht sein zu lassen. Unser Sein zu spalten in Gut & Böse. Richtig & Falsch. Wünschenswert & Abscheulich. Lernen, wie wir sein sollen und wie wir nicht sein dürfen und speichern das gut und tief ab. Wohlgemerkt: Aus der Sicht von Anderen, nicht aus der Perspektive unseres eigenen Seins.
Wir lernen, dass wir unseren Körper gut im Auge behalten müssen, bestimmte Äusserungen zu unterdrücken haben, ihn in eine bestimmte Form bringen und diese halten sollen. Indem wir ihn shapen, enthaaren, schmücken etc.
Wir lernen, dass bestimmte Gefühle erwünscht sind und andere nicht. Und reden dann von sogenannten positiven und negativen Gefühlen, als ob diese Einteilung naturgegeben und das Selbstverständlichste der Welt wäre. (Ist sie nicht.)
Wir lernen, unser Denken überzubewerten und unser Gehirn zu verherrlichen, statt es einfach als Organ zu betrachten, das unsere Wahrnehmungen verdaut, so wie es unser Magen und Darm mit Nahrung tut (und das besser und effizienter, weil wir nicht ständig unsere Aufmerksamkeit dorthin lenken.)
Wir lernen, dass wir empathisch und sozial kompetent mit anderen umgehen müssen. Teilen, Rücksicht nehmen sollen. Gleichzeitig lernen wir, uns zu bemühen, besser zu sein als andere und andere zu übertreffen. In der Schule, im Sport, im Beruf.
All das ist überhaupt nicht falsch, sondern Teil unserer menschlichen Entwicklung und Konsequenz unserer kognitiven Leistungsfähigkeit. Und fördert diese im Idealfall.
Falsch ist, dass wir uns auf die Art und Weise, wie wir in unserer modernen westlichen Welt mit unserem Sein umgehen, uns selber vermitteln, dass unser Sein nicht genügt. Dass aus dem Sein allein nichts Gutes kommen kann. Der Positive Psychologe Martin Seligman spricht davon, dass wir ein „Rotten to the Core“ (im Kern verdorben)-Paradigma pflegen, woran nebst der christlichen Religion auch Sigmund Freud und die Psychoanalyse nicht ganz unbeteiligt ist.
So dass es dazu kommt, dass in unseren therapeutischen Praxen immer irgendwann bei unserer Kundschaft der Glaubenssatz auftaucht: „Ich genüge nicht.“
Was wir übersetzen können mit: „Ich habe früh im Leben schon die Erfahrung gemacht, dass mein Sein ungenügend ist und in der Folge beschlossen, zu versuchen, es zu verändern. Was mir aber nicht gelingt. Und meinen Glaubenssatz wiederum bestätigt.“
Zu Resignation, Hoffnungs- und Hilflosigkeit führt und es uns schwer macht, ganz selbstverständlich nachhaltig fürsorglich und liebevoll mit uns und anderen umzugehen in unserem Alltag.
Wie bescheuert ist das??
Kommen wir auf den Punkt und in die Lösungszone.
Die Unsicherheitsgleichung von George Pransky.
Da wir verlernt haben oder uns abtrainiert wurde, uns dem puren Sein auszusetzen, löst der Versuch, das trotzdem zu tun, in der Regel Unsicherheit aus. In unserer auf Sicherheit und Kontrolle überfokussierten modernen Welt ist die Empfindung von Unsicherheit grundsätzlich unerwünscht oder suspekt. Gleichzeitig ist die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, die Basiskompetenz für uns Menschen, damit wir uns weiterentwickeln können, damit wir uns dem Leben und anderen Menschen und Beziehungen öffnen können und um tiefgehende, authentische Lebensfreude und Kreativität erleben zu können. Hier spricht der Therapeut, Coach, Improvisationsschauspieler, Meditierende, der sich tagtäglich mit dem Thema Unsicherheit befasst. Und der Amerikanische Paartherapeut und Autor George Pransky ist auch dieser Meinung.
Also, meistens gilt: Wenn Du Dich dem Sein, Deinem Sein, der Präsenz, dem Leben öffnest, löst das ein Gefühl von Verletzlichkeit und Unsicherheit aus. Da diese Zustände aufgrund Deiner kollektiven Prägungen mit negativen Bewertungen verbunden sind, gerätst Du in einen „Low Mood“, in einen negativen Affekt oder in eine schlechte Stimmungslage. Dadurch wird Deine linke Hirnhälfte aktiviert, die es liebt, Probleme zu suchen und, wenn sie keine findet, solche zu generieren. Auf sehr, sehr kreative Weise. Die Energie geht in Deinen Kopf (und wird dort von der linken Hirnhälfte gierig aufgesaugt), Du entfernst Dich von Deinem gegenwärtigen Sein und die angestaute Energie sucht sich einen Ausdruck in Form von - na? Genau: Kompensationsverhalten.
Die Lösung:
Investiere ab jetzt bis zum Ende des Jahres all Deine Entwicklungsenergie in die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten. Einfach zu sein, bei Deinem gegenwärtigen Sein zu bleiben, trotz Unsicherheit. Trotz schlechter Laune. Trotz Müdigkeit, Faulheit, Erschöpfung, Angst, Trauer, Wut. Nichts dagegen zu unternehmen. Nein, wirklich nichts. Keine Kompensation.
Ich garantiere Dir: Du wirst energiegeladen, kraftvoll, voller Kreativitätsdrang und Lebensfreude, selbstbewusst und vor Glück strotzend ins 2025 starten.
Und vor allem: Ganz selbstverständlich total fürsorglich und liebevoll mit Dir und anderen umgehen.
Wenn Du dabei Hilfe brauchst, bin ich gern für Dich da.
Herzlich willkommen bei Dir.
Simon
Literatur:
Pransky, G. (2017). Das Beziehungshandbuch: Ein einfacher Leitfaden zu erfuellenden Beziehungen. CreateSpace Independent Publishing Platform.
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