Willkommen auf dem Schmerzkontinent

Bild eines Kriegers als Einleitung zu einem Text zum Archetyp des Kriegers und den damit verbundenen Schatten

 

Wir befinden uns im Landeanflug auf dem Weg zur nächsten Etappe unserer Reise durch die Schattenwelt. Hole noch einmal tief Luft im weiten und unergründlichen Innenraum Deines Seelenhimmels, bevor wir auf dem nächsten Kontinent landen: Dem Kontinent des Schmerzes, der Aggression, Wut, und Gewalt. Welcher auch den Schatz seelischen Wachstums birgt.

 

Die Erfahrung von Schmerz rahmt unseren Lebensweg ein. Der Geburtsschmerz ermöglicht neues Leben. Und am Ende unseres Lebenswegs wartet der Schmerz der Erkenntnis unserer Endlichkeit, unserer Vergänglichkeit, der Schmerz des Todes auf uns. Dazwischen breitet sich die Bühne des Lebens aus. Oder vielleicht passt das Bild eines Grates besser, auf dem wir wandeln, zwischen Leben und Tod. Manchmal müssen wir vom Grat stürzen, um uns neues Leben und Entwicklung zu ermöglichen, eine neue Lebensphase beginnen zu können, ein überholtes Selbstbild sterben zu lassen. Und manchmal geht es darum, uns mit aller Kraft vor dem Absturz zu schützen, ein Geländer oder einen Zaun zu bauen, an dem wir uns festhalten können, das den Wind abhält.

 

Genug von der einleitenden Metaphorik und Symbolik. Werden wir konkreter, alltagsnäher und -praktischer.

 

Schmerz gehört zu unserer alltäglichen Erfahrung. Das ohrenbetäubende Pressluftgehämmer auf der Baustelle am Arbeitsweg, der Stein im Schuh beim Joggen, der Sonnenbrand in den Sommerferien oder der Spannungskopfschmerz am Feierabend. Auf psychologisch-emotionaler Ebene: Der Schmerz, wenn ich am Morgen aus meinem Traum vom Wunschleben erwache und auf dem kalten Boden meines grauen Alltags lande. Die Jobabsage. Das Date, das mich ghostet. Das Kind, das nicht auf mich hört. Das Projekt, das ich nicht rechtzeitig zu Ende bringe, die Prüfung, die ich nicht bestanden habe.

 

Ganz zu schweigen von den aussergewöhnlicheren Schmerzerfahrungen wie chronische Krankheiten, Unfälle, Verluste von geliebten Menschen, Tieren, Gegenständen etc.

 

Wie gehst Du mit Deinem Schmerz um?

 

Auf dem Schmerzkontinent gibt es zwei archetypische Energien, die uns einen gesunden Umgang mit Schmerz ermöglichen. Und zwei damit verbundene Schattenseiten.

 

Der Archetyp der Mutter oder des Wassers

ermöglicht uns, uns ganz dem Schmerz zu öffnen. Daruf zu vertrauen, dass ein Schmerz uns nicht schaden wird, sondern uns Wachstum und Entwicklung ermöglicht. Genau wie die Mutter, die bereit ist, grausame Schmerzen in Form von Wehen in Kauf zu nehmen, weil sie weiss, dass sie dadurch neues Leben in Form eines Kindes auf die Welt bringen kann. Und im Anschluss jahrelang Schmerz und Frust in Kauf nimmt, dieses neue Leben zu hegen und zu pflegen, indem sie ihre Bedürfnisse zurückstellt, auf Schlaf, Erholung, Reisen, Karriere verzichtet im Dienst des neuen Lebens. *Wohlgemerkt: Dieser Archetyp ist nicht an ein Geschlecht gebunden: Sowohl weibliche, männliche wie auch non-binäre Personen tragen diese archetypische Energie in sich und können diese kultivieren.*

 

Auf der anderen Seite ermöglicht uns der Archetyp des Kriegers oder des Feuers,

das neue Leben und uns selber vor Schmerz zu schützen. Indem wir uns dem Schmerz entgegenstellen, ihn bekämpfen, ihn an der Wurzel packen und ausmerzen. Den Feind identifizieren, konfrontieren und besiegen. Einen Dorn aus der Haut zu entfernen. Den angegriffenen Zahn zu entfernen. Den Krebs am Wachsen zu hindern und zu besiegen. Eine andere Person in ihre Schranken zu verweisen, wenn sie uns Schmerz zufügen will, indem sie beispielsweise unsere Grenzen missachtet und überschreitet. Und im positiven Sinne: Für etwas zu brennen, uns mit Leidenschaft für etwas zu engagieren: Für den Klimaschutz, für eine gerechtere Welt, für den Frieden. *Auch hier gilt, dass auch diese archetypische Kriegerenergie nicht geschlechtsgebunden ist.*

 

Beide Energien können sich dann von ihrer gesunden, heilen und heilsamen Seite zeigen, wenn sie gut trainiert und gefördert wurden. Ein Krieger kann dann seine Kraft und Aggression kanalisieren und konstruktiv nutzen, wenn er lernen konnte, damit umzugehen. Eine Mutter kann dann ihre Bedürfnisse zurück- und ihre Präsenz in den Dienst des Lebens und der Liebe stellen, wenn sie gelernt hat, sich gut um ihre Bedürfnisse zu kümmern und emotional und körperlich gut genährt ist und sich gut zu nähren weiss.

 

Ist das nicht der Fall, öffnet sich der Vorhang für die Schattenbühne und die beiden Energien zeigen sich von ihrer dunklen, von ihrer Schattenseite:

 

Der Sadist / die Sadistin:

 

Ein Mensch, der nicht lernen konnte, seine Aggression auf gesunde Weise auszudrücken, sondern sie unterdrücken musste, weil er beispielsweise Gewalt erfuhr, wenn er sie zeigte, läuft Gefahr, die Aggression und den damit verbundenen Schmerz auf sadistische Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Paradebeispiel ist Hitler, der ein ganzes Volk auf grausame Art und Weise auslöschen wollte.

 

Oder die Person, die als Kind bestraft wurde, wenn sie ihre Bedürfnisse zum Ausdruck brachte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit als erwachsene Mutter ebenfalls ihr Kind bestrafen, wenn es auf gesunde Art und Weise seine Bedürfnisbefriedigung einfordern will. Beispiele dafür sind die Kindsmörderin oder die kalte, abweisende Mutter.

 

Weitere Beispiele im Schattentheater des Schmerzkontinents:

  • Die Domina auf High Heels mit Peitsche, Handschellen, Leine und Halsband
  • Der kaltherzige Nazi, der ein für allemal die absolute Weltordnung herstellen will
  • Die grausame Lehrerin mit dem Züchtigungslineal
  • Der emotional distanzierte, überabgegrenzte Psychoanalytiker

Beim Sadistenschatten gilt aus psychologischer Sicht: Er fügt anderen Schmerz zu, um auf den eigenen Schmerz aufmerksam zu machen.

 

Der Masochist / die Masochistin:

 

Auf der anderen Seite der Schattenbühne befindet sich die überbehütende und besitzergreifende Gluckenmutter, die so gut darin ist, ihre Bedürfnisse zurückzustellen, dass sie die ganze Welt adoptiert und sich um das Wohlergehen aller kümmert – ausser um ihr eigenes. Bis sie erschöpft und depressiv zusammenbricht. Der Firmenpatron, der sogar bei seinen Angestellten zu Hause vorbeigeht und persönlich das Fieberthermometer vorbeibringt, obwohl er selber an Fieber leidet.

 

Und der Leidenskrieger, der Asket, der sich selber Schmerzen zufügt in der Hoffnung, dadurch, möglicherweise im Jenseits einen Ausweg aus seinem Leid zu finden. Die Anorektikerin, die ihren Körper zu Tode oder zumindest zur Gefühllosigkeit hungert, in der Hoffnung, dadurch ihren seelischen Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. Oder der Borderliner, der sich die Arme aufritzt, um sich endlich wieder spüren zu können.

 

Weitere Beispiele:

  • Die aufopfernde Krankenschwester mit Helfer-Syndrom
  • Der katholische Selbstverstümmler
  • Der asketische Yogi
  • Die devote Sklavin

Der Masochistenschatten will auf seinen Schmerz aufmerksam machen, indem er ihn betont und teilweise sogar lustvoll kultiviert, manchmal auch anderen unter die Nase reibt.

 

Im Unterschied dazu sind Menschen, welche freien Zugang zu diesem Archetypen haben, in der Lage, ihren Schmerz anderen gegenüber adäquat zum Ausdruck zu bringen, sich dafür Hilfe und Trost zu holen und gerade dadurch bereit, Schmerz auszuhalten im Dienst von etwas Grösserem oder Höherem, wie beispielsweise Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit.

 

Diesen Lichtblick nutzen wir, um die Engelsflügel des Soul Wing wieder wachzukitzeln und sie zum engelhaften Vibrieren zu bringen, damit wir abheben und uns auf den Weg machen können zur nächsten Etappe:

 

Zum Kontinent des Wissens und der Weisheit, wo auch geschickte Manipulation, Kontrollverhalten, das Impostor-Syndrom sowie Hexen, Narren und Trickster auf uns warten.

 

Wir sehen uns. Bis dahin: Guten Flug und herzliche Grüsse,

Simon

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

PSYTSG

Psychotherapie Simon Gautschy

M.Sc. Simon Gautschy

Eidg. anerkannter Psychotherapeut
Fachpsychologe für Psychotherapie FSP

Rathausgasse 17

5000 Aarau

Haben Sie eine Frage an mich? Oder möchten Sie mir einfach einen schönen Tag wünschen?

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.

Möchten Sie meinen Newsletter erhalten? Klicken Sie einfach auf den Button: